Ereignis: Saharastaub


Saharastaub über Österreich im April 2016

Allgemeines
Vorhersage von Saharastaubevents (WRF-Chem)
Die Ankunft des Saharastaubes in Österreich
Die Analyse der Herkunftsregion
Die Identifikation und Messung des Saharastaubes am Sonnblick
Literatur
Kontaktinformation


Allgemeines

Luftgetragene feste und flüssige Partikel, auch Aerosole genannt, haben einen großen Einfluss auf den Strahlungshaushalt der Erde, wobei sie eine kühlende oder wärmende Wirkung haben können. Zudem bilden sie die Grundlage für die Entstehung von Wolken und in weiterer Folge für Niederschlag und spielen unter dem Namen Feinstaub auch für gesundheitliche Fragestellungen eine Rolle. Saharastaub zählt ebenfalls zu Feinstaub, allerdings aus einer natürlichen Quelle, wird in regelmäßigen Abständen nach Österreich transportiert und kann so fernab der Herkunftsregion zu einer erhöhten Feinstaubbelastung führen.

Im April 2016 konnte in Österreich ein starkes Saharastaubereignis beobachtet werden, welches am Sonnblick als solches erkannt wurde und seitens der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) umfassend wissenschaftlich untersucht wurde. Im Folgenden wird ein Überblick über die Vorhersage und die Messungen dieses Ereignisses gegeben.

Vorhersage von Saharastaubevents (WRF-Chem)

WRF-Chem (Weather Research and Forecasting model coupled with Chemistry) ist ein numerisches Vorhersagemodell, welches unter Berücksichtigung der zu erwartenden meteorologischen Gegebenheiten die Emission, den Transport, die Vermischung und chemische Zusammensetzung von Aerosolen simuliert. Modelle wie WRF-Chem werden genutzt, um die Ausbreitung von Aerosolen und Luftschadstoffen aus diversen anthropogenen Quellen (Verkehr, Hausbrand, Industrie u.a.) sowie aus natürlichen Quellen (Aufwirbelung von Staub in ariden Gebieten, biogene Emissionen, eventuell Waldbrände) und die daraus resultierenden Luftschadstoff- und Staubkonzentrationen vorherzusagen.

Für das Saharastaub-Ereignis vom April 2016 wurden die Modellvorhersagen mit den am Sonnblick tatsächlich gemessenen Werten verglichen, um die Güte der Simulationen von derartigen großräumigen Transportereignissen bewerten zu können. Abbildung 1 zeigt Ergebnisse der mit WRF-Chem durchgeführten Feinstaubvorhersage für den 5. April 2016 12 UTC. Im linken Bild ist in jeder Modellgitterzelle die Summe der Staubkonzentration über den gesamten modellierten Höhenbereich dargestellt. Das rechte Bild zeigt den Beitrag der Staubaufwirbelung aus den Wüstengebieten im Modellausschnitt (berechnet als Differenz zwischen zwei Modelläufen für denselben Termin mit und ohne Emissionsmodellierung für Staubaufwirbelung in ariden Gebieten). Die Quellgebiete für Wüstenstaub im Bereich der westlichen Sahara sowie auf der arabischen Halbinsel sind in diesen Modellergebnissen deutlich zu erkennen. Zum dargestellten Zeitpunkt zeigen die Abbildungen eine Staubwolke, die sich über das westliche Mittelmeer, Sardinien und Korsika bis in den Ostalpenraum erstreckt.

In Abbildung 2 werden die für den Gipfelbereich des Hohen Sonnblick modellierten PM10-Konzentrationswerte sowie der modellierte Anteil an Wüstenstaub den während des Saharastaub-Ereignisses (31. März bis 8. April 2016) am Sonnblick gemessenen Staubkonzentrationen gegenübergestellt. Diese Analyse ergibt, dass das Einsetzen, das Ausklingen sowie der zeitliche Verlauf und die räumliche Verlagerung ausgehend von der Algerischen Sahara über das Mittelmeer bis nach Zentraleuropa gut vorhergesagt wurden. Die gemessenen Staubkonzentrationen wurden vom Modell etwas unterschätzt. Nichtsdestotrotz zeigen Ergebnisse wie diese, dass chemische Wettervorhersagemodelle wie WRF-Chem ein geeignetes Mittel zur Vorhersage der Luftschadstoffkonzentrationen sowohl im regionalen Bereich als auch bei Ferntransport sind.

Die Abschätzung des Beitrags aus natürlichen Quellen zu hohen Staubbelastungen ist im Rahmen der Beurteilung der Luftgüte in Europa (hinsichtlich von Überschreitungen des Tagesmittel-Grenzwerts für Feinstaub) wichtig. Hierbei liefern diese Modellrechnungen eine wesentliche Beurteilungsgrundlage.

 

Abbildung  1: Mittels WRF-Chem vorhergesagte Staubkonzentration über Europa für 5. April 2016 12:00 UTC. links: Gesamtstaubgehalt in der Atmosphäre je Gitterzelle. rechts: Differenz zwischen WRF-Chem Simulationen mit und ohne Berücksichtigung von Saharastaub (i.e. Wüstensandanteil im Simulationsergebnis). Die in den Bildern angegebenen Konzentrationen sind gegeben in Milligramm pro Quadratmeter und gelten als Summe über die gesamte Simulationshöhe von 50 hPa (ca. 20 km).

 

Abbildung  2: Zeitreihen der mit WRF-Chem modellierten (schwarz, schwarz strichliert und grau) Staubimmissionen sowie der am Sonnblick gemessenen Staubkonzentrationen (rot) von 31. März 2016 bis 8. April 2016. PM10 bezeichnet die Staubkonzentrationen für Korngrößen (Stäube mit aerodynamischem Durchmesser) kleiner 10 µm. Der Wüstensandanteil (DUST) wurde aus den Simulationsergebnissen prozentual und absolut herausgerechnet und gesondert dargestellt.

 

Die Ankunft des Saharastaubes in Österreich

Ceilometer sind vertikal ausgerichtete Messgeräte, die mittels Laserimpulsen Wolkenuntergrenzen, Aerosolverteilungen, Aerosolschichthöhen sowie Niederschlagsereignisse aufzeichnen. Aus der Laufzeit und der Änderung des zurückgestreuten Lichtsignals kann eine vertikal aufgelöste Zeitreihe über das Rückstreuverhalten in den einzelnen Schichten aufgestellt werden. Diese Messdaten geben Aufschluss über die Mischungshöhe in der atmosphärischen Grenzschicht. Ceilometer werden bereits seit geraumer Zeit unter anderem an Flughäfen eingesetzt, wo Informationen über die Wolkenhöhen von maßgeblicher Bedeutung sind. In wissenschaftlichen Bereichen werden die gewonnenen Messdaten zusätzlich zur Bestimmung der Mischungshöhen und zur Detektion von Vulkanasche und Saharastaub verwendet.

Ceilometer liefern an mehreren Standorten in Österreich Zeitreihen der Aerosolprofile in der atmosphärischen Grenzschicht, die herangezogen werden können, um die Ankunft sowie die vertikalen Bewegungen der Aerosolwolke nachzuweisen. In Abbildung 3 und 4 sind die Messergebnisse dieser Fernerkundungssysteme in Radstadt, Nötsch und Salzburg zu sehen. Alle drei Ceilometer zeigen für den Zeitraum von 31. März bis 3. April 2016 einen ähnlichen zeitlichen Verlauf (Abbildung 3). Das Eintreffen einer relativ dichten Staubwolke in den unteren 3 km über Grund ist am 31. März 2016 ab etwa 17 UTC deutlich durch den farblichen Übergang von Blau zu dichtem Grün erkennbar. In den folgenden 24 Stunden, beginnend am 1. April um etwa 12 UTC sind auf Grund der starken Bewölkung oberhalb der Wolkenuntergrenze keine Messdaten verfügbar (rot-weiße Linie mit darüber liegender dunkelblauer Fläche). Am darauf folgenden Tag ist eine Abschwächung der Aerosolkonzentration zu erkennen (Abbildung 3), während in der Nacht vom 3. auf den 4. April 2016 ein neuerlicher sehr starker Anstieg erfolgt (Abbildung 3 und 4). Der 5. April 2016 bildet dann den Höhepunkt des Ereignisses mit hohen Aerosolkonzentrationen in den untersten 3 km über Grund. Auch hier endet die Verfügbarkeit der Messdaten in Radstadt und Salzburg in höheren Niveaus mit dem Eintreffen einer tiefen Wolkenschicht und dem Einsetzten von teilweise Regen. Nur das Ceilometer in Nötsch konnte die Staubwolke über den restlichen Messzeitraum bis Mitternacht am 7. April 2016 erfassen. Die Messreihen zeigen, dass das Einsetzen, Abklingen sowie die Intensität eines solchen Ereignisses sehr gut mittels Ceilometer beobachtet werden können. Ein Vergleich der Rückstreuintensitäten aus den Abbildungen 3 und 4 mit dem zeitlichen Verlauf der gemessenen Aerosolkonzentrationen am Sonnblick (Abbildung 2) zeigt eine gute Übereinstimmung.

 

Abbildung  3: Zeitreihen der mittels Ceilometer gemessenen Rückstreuprofile für den Zeitraum 31. März bis 3. April 2016 an den drei Standorten a) Radstadt b) Nötsch c) Salzburg. Die farbliche Schattierung entspricht der Intensität der Rückstreuung (bzw. der Aerosolkonzentration). Grüne Flächen zeigen das Auftreten von Partikeln in den jeweiligen Schichthöhen. In den dunkelblauen Bereichen wie z.B. am 1. April 2016 12 UTC bis 2. April 2016 11 UTC konnten oberhalb von ca. 1km Höhe über Grund keine Daten gemessen werden, da in niedrigeren Schichten bereits eine vollständige Abschirmung des Signals an Wolken- bzw. Niederschlagströpfchen (rote und weiße  Punkte oder Linien) erfolgte. Die schwarzen Linien geben in der Datenauswertung identifizierte Aerosolschichthöhen an, während die gelbe Linie die aus den Daten berechnete Mischungshöhe kennzeichnet.

 

Abbildung  4: Zeitreihen der mittels Ceilometer gemessenen Rückstreuprofile für den Zeitraum 4. April bis 7. April 2016 an den drei Standorten a) Radstadt b) Nötsch c) Salzburg. Erläuterungen siehe Abbildung 3.

 

Die Analyse der Herkunftsregion

Die möglichen Quellgebiete für Luftbeimengungen (Feinstaub, Luftschadstoffe, Radionuklide), die an einem oder mehreren Orten gemessen werden, können mithilfe einer Methode der Rückwärtsmodellierung anhand sogenannter QRS-Felder (Quellen-Rezeptor Sensitive) untersucht werden. Ausgehend von tatsächlich vorliegenden Messergebnissen werden diese Felder mit dem atmosphärischen Ausbreitungsmodell FLEXPART berechnet. Hierzu wird die gemessene Partikelkonzentration als Quellterm angenommen und unter Berücksichtigung aller meteorologischen Gegebenheiten der Weg dieser Partikel rückwärts in der Zeit bestimmt.

Um Aufschluss über die möglichen Ursprünge der Partikel zu erhalten, werden zeitintegrierte graphische Auswertungen der stündlichen QRS-Felder über einen längeren Zeitraum (i. A. mehrere Tage) betrachtet. Ein Ausschließen jener Flächen innerhalb dieser Quellregionen, auf welchen keine Freisetzung (im gegenständlichen Fall keine Staubaufwirbelung) stattgefunden hat, ist nur anhand dieser Rückwärtsmodellierung nicht möglich. Für genaue Analysen eines Ereignisses ist daher die gemeinsame Betrachtung von Modellvorhersage, Messung und Rückwärtsrechnung unabdingbar.

Abbildung 4 zeigt das Ergebnis einer solchen Herkunftsanalyse für das Saharastaubereignis im April 2016. Ausgehend von den am Sonnblick gesammelten Messdaten wurden die meteorologischen Daten der vorangegangenen fünf Tage herangezogen, um eine Abschätzung der Herkunftsgebiete vorzunehmen. Es zeigt sich, dass für den betrachteten Zeitraum ca. 42 % der am Sonnblick ankommenden Luftmassen aus einem Gebiet zwischen Marokko und Algerien, der algerischen Sahara stammte (grüne Box).

 

Abbildung 4: Zeitintegrierte Auswertung der Quellen-Rezeptor Sensitivitätsfelder für die Messreihe am Sonnblick Observatorium am 5. April 2016 von 9:00 UTC bis 12:00 UTC. Prozente geben die relative Menge der angekommenen Luftmassen aus den Gebieten Süd- und Mitteleuropa (blau), westliche Sahara (grün) und östliche Sahara (rot) an.

 

Die Identifikation und Messung des Saharastaubes am Sonnblick

Am Sonnblick wird anhand von Messungen der spektralen Absorptions- und Streueigenschaften der Partikel sowie über gemessene Staubmasse ein sogenannter „Saharastaubindex (SDI)“ berechnet. Dieser ist in Abwesenheit von Saharastaub gleich Null, bei Vorhandensein jedoch gleich eins und ist im oberen Bildrand von Abbildung 5 für das betrachtete Ereignis durch rote oder grüne Striche eingezeichnet. Es ist deutlich zu erkennen, dass im Zeitraum vom 31. März bis zum 9. April 2016 ausschließlich ein SDI=1 beobachtet wurde. Dargestellt ist auch die Gesamtmasse der gemessenen Partikel (schwarze Linie) welche für den gezeigten Zeitraum deutlich erhöhte Werte mit Konzentration bis über 130 µg/m3 erreicht. Im Vergleich, der Mittelwert für 2016 liegt bei nur 4 µg/m3.

Parallel zum Anstieg der Gesamtstaubmasse sieht man jedoch keinen Anstieg in der Gesamtpartikelanzahl (orange Linie), welche von der Anzahl der kleinen Partikeln mit optischen Durchmessern von wenigen Nanometern bis ca. 1 µm geprägt ist. Betrachtet man im Vergleich dazu jedoch die Anzahl der groben Partikel mit optischem Durchmesser größer als 2,5 µm (blaue Linie) erkennt man einen nahezu identen Anstieg wie die Gesamtmasse. Vergleicht man die mittlere Anzahl aller Partikel >2,5 µm für das Jahr 2016 (0,06 Partikel pro cm3) mit der mittleren Anzahl während des betrachteten Saharastaubevents (0,8 Partikel pro cm3), so bestätigt sich die Annahme, dass Saharastaub der bis nach Österreich transportiert wird größtenteils aus groben Partikeln mit mehreren µm Durchmesser besteht.
 

Abbildung 5: Zeitreihen der Gesamtstaubmasse (TSP, schwarz), der Gesamtpartikelanzahl (orange) sowie der Anzahl der groben Partikel mit >2,5 µm optischen Durchmesser. Der Saharastaubindex (SDI) ist am oberen Bildrand durch rote (SDI=0) und grüne (SDI=1) Striche eingezeichnet.

 

Literatur

Coen, M.C., Weingartner, E., Schaub, D., Hueglin, C., Corrigan, C., Schwikowski, M., Baltensperger, U., 2003. Saharan dust events at the Jungfraujoch: detection by wavelength dependence of the single scattering albedo and analysis of the events during the years 2001 and 2002. Atmospheric Chem. Phys. Discuss. 3, 5547–5594.

Greilinger, M., Schöner, W., Winiwarter, W., Kasper-Giebl, A., 2016. Temporal changes of inorganic ion deposition in the seasonal snow cover for the Austrian Alps (1983–2014). Atmos. Environ. 132, 141–152. doi:10.1016/j.atmosenv.2016.02.040

Schauer, G., Kasper-Giebl, A., Močnik, G., 2016. Increased PM Concentrations during a Combined Wildfire and Saharan Dust Event Observed at High-Altitude Sonnblick Observatory, Austria. Aerosol Air Qual. Res. doi:10.4209/aaqr.2015.05.0337
 

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